Freitag, 18. Mai 2012

Bedürfnisse einfordern

Nach wie vor fällt es mir schwer, mich zu entspannen, Dinge zu tun, die nicht "nützlich" oder "sinnvoll" sind. Es ist in den letzten Jahren so zur Gewohnheit geworden, jede Minute mit sinnvollem Tun, gern auch am Rechner, anzuföllen - und sei es nur, das eigene Profil auf einer Internet-Seite zu verbessern, wenn das zum eigenen Vorteil ist, oder jemanden auf eBay zu bewerten.
Es sind diese Dinge - die vielen kleinen häuslichen und digitalen Verpflichtungen, die den Alltag zersplittern und das Wesen, die Seele in alle Himmelsrichtungen zerstreuen.

Heute war ich bei einer wunderbaren Beratung bei einer Hebamme, die mich lange hat reden und weinen lassen und mich dann mit wunderbar duftendem Rosenöl massiert hat, um mir "eine Hülle zu geben", wie sie sagte. Das tat sehr gut. Ich habe aus der Begegenung aber noch mehr mitgenommen als die wunderbare Entspannung, die sich in mir und auch mit dem Kleinen in mir breitmachte. Letztlich eine Variation des Themas, das seit einiger Zeit in allen Gesprächen mit liebmeinenden Menschen über meine Situation anklingt - meine Unfähigkeit, meine Grenzen wahrzunehmen, meine Bedürfnisse zu erkennen und vor allem: sie auch einzufordern.

Zwei Aufgaben hat sie mir mitgegeben: Jeden Tag fünf ruhige Minuten mit dem Kleinen in mir zu verbringen, etwa still dazuliegen und an es zu denken.
Und: meine Bedürfnisse klarer, lauter oder eindringlicher einzufordern. Das werde ich heute gleich versuchen: nämlich bei meinem Mann eine Massage einzufordern ("Das brauche ich!") anstelle wie sonst in zaghaftem Ton zu sagen: "Wir könnten heute Abend doch mal Massage machen...."

Was freut mich heute: der gestern auf dem (kalten) Spaziergang im Mauerpark gepflückte Wiesenblumenstrauß auf dem Esszimmertisch!
Und: Unsere Tochter hat ab August einen Platz in einem Waldorfkindergarten - die beste Nachricht seit Jahren und die größte denkbare Erleichterung. (Wer je versucht hat, sein erstgeborenes Kind in Berlin in einem Waldorfkindergarten unterzubringen, weiß, was das bedeutet!)

Samstag, 12. Mai 2012

Ich trage Ruhe in mir (Mantra/Meditationstext)

Diesen Meditationstext von Rudolf Steiner habe ich in einer Broschüre des Krankenhauses gefunden, in dem ich im Januar war. Als ich nach Hause kam, schrieb ich mir den Text auf ein Blatt, um ihn mir täglich zu vergegenwärtigen. Er ist aber doch nach ein paar Tagen in der Schreibtischschublade gelandet. Nun habe ich ihn wieder hervorgeholt: Es ist Zeit, ihn wieder zu Herzen zu nehmen.

Ich trage Ruhe in mir.
Ich trage in mir selbst die Kräfte,
die mich stärken.

Ich will mich erfüllen
mit dieser Kraft Wärme.

Ich will mich durchdringen
mit meines Willens Macht.

Und fühlen will ich,
wie Ruhe sich ergießt
durch all mein Sein,
wenn ich mich stärke,
die Ruhe als Kraft in mir zu finden,
durch meines Strebens Macht.

Wenn Ruhe der Seele Wogen glättet
und Geduld im Geist sich breitet,
zieht der Götter Wort
durch des Menschen Innres
Und webt den Frieden der Ewigkeiten
In allen Leben des Zeitenlaufs.

(Rudolf Steiner)

Wieder da und wieder im alten Muster

Ich bin wieder da. Nach ein paar Wochen pausenloser Aktivität bin ich wieder in meine alten Muster zurückgefallen: jede Sekunde wird mit etwas "Sinnvollem" aus der langen, nie endenden ToDo-Liste angefüllt, für Muße bleibt da keine Zeit. Ich bin unfähig, etwas Nicht Sinnvolles zu tun. Habe diese Woche endlich ein Gespräch bei einem möglichen Therapeuten gehabt und dort die doch erschreckende Diagnose erhalten: Depression und die dringende Empfehlung, mich auszuruhen. "Ich schreibe Sie jetzt erstmal sechs Wochen krank!" -- Sehr lustig, ich bin selbständig, da bekomme ich nur Geld, wenn ich arbeite, und wir brauchen meinen Zuverdienst zur Zeit dringend. Mehr als dringend.
Nun bin ich verzweifelt, liege in den Nächten stundenlang wach und wälze Gedanken. Das trägt nicht gerade zu meiner Erholung bei. Und dann das Kleine in mir, was tue ich ihm an mit meinem Stress? ich habe völlig den Bezug zu dem Kleinen verloren, der soch am Anfang der Schwangerschaft noch so spürbar war.

Ich bin nicht einmal fähig, mich aufzuraffen, einen Spaziergang zu machen, dabei sehne ich mich nach Natur, nach frischer Luft, nach Ruhe. Nach Ruhe, ganz besonders.

Wer kennt das, wem geht es ähnlich? Ich freue mich über Kommentare und Feedback.

Freitag, 16. März 2012

FRÜHLING!

Der Frühling ist da, der Himmel ist endlich blau, und die Sonne scheint so warm, dass die Leute in T-Shirts in den Cafés sitzen!

Ebenso lüftet sich heute auch mein eigenes Leben ganz konkret - der riesige Arbeitsberg der nächsten zwei Wochen scheint seit heute plötzlich machbar, ich habe für heute alles Wichtige erledigt und kann guten Gewissens ins Wochenende starten. Nur noch zwei e-mails müssen später erledigt werden.

Das Leben kann wunderbar sein - man muss es nur wahrnehmen und dann auch genießen!
Ich freue mich heute über die Sonne, die Wärme und einen Nachmittag draußen mit meiner Tochter.

Donnerstag, 15. März 2012

Knospen

Entspannung, Loslassen, Michgehenlassen und -fallenlassen zählen wahrlich nicht zu meinen Stärken. Ich muss richtig dazu zwingen, einfach mal in Ruhe auf dem Sofa zu sitzen und meinen Tee zu trinken. Ich frage mich manchmal, ob ich nicht latent computersüchtig bin - oder ist es mein innerer Zwang zur Effizienz, der mich in jeder freien Minute vor den Rechner treibt?

Doch ich mache auch kleine Fortschritte - da ich durch die Schwangerschaft am frühen Abend immer so müde werde, habe ich mir in den letzten Tagen angewöhnt, mich wirklich für eine halbe Stunde ins Bett zu legen, wenn ich meinen freien Tag habe. Und das Gehen anderer Wege, das Zu-Fuß-gehen statt U-Bahn-Fahren bewirkt ebenfalls Wunder! Es gibt wirklich unverhofft Energie und ist allen zu empfehlen, die dazu neigen, immer schnellstmöglich und effizienzgesteuert durch die Stadt zu hetzen.

Wenn man langsam und zu Fuß geht, sieht man auch andere Dinge, sogar am Wegesrand in der Stadt: Heute die ersten aufgesprungenen Knospen im Stadtpark.

Wie jedes Jahr warte ich auch dieses so sehnlichst auf die Blätter!


Mittwoch, 7. März 2012

Umwege

Meine heutige Übung bestand darin, mir keinen Zeitdruck zu machen, obwohl ich heute morgen für meine Begriffe schon etwas zu spät dran war. Ich hatte plötzlich die Idee, statt mit der U-Bahn zur Arbeit zu fahren, ein paar Stationen zu Fuß zu gehen, denn mir fiel ein schöner Weg durch einen Park ein, den ich stattdessen gehen könnte. Und wie schön war es, sich von der Hetze zu befreien, das helle Licht durch die nackten Äste der Bäume strahlen zu sehen, die ersten Vogelstimmen leise zwitschern zu hören!
Man muss nur den Mut haben, sich zu trauen, die altvertrauten Pfade zu verlassen, und schon geht das Herz auf!

Donnerstag, 1. März 2012

Licht im Februar


Wieder aus meinem wunderbaren Winterbuch, ein Gedicht von Elisabeth Langgässer, die am 23. Februar geboren wurde, nur 51 Jahre alt wurde und die laut Wikipedia in der Tradition der christlichen Mystikerinnen steht. Eines ihrer Hauptthemen war "der Konflikt zwischen dem satanischen triebhaften Leben und dem Göttlichen":

Licht im Februar

Wahrheit ohne Scheinen,
alles ist noch klar,
strömend von dem reinen
Licht im Februar.

Fülle der Figuren,
Kronen und Geäst,
ferne die Lemuren,
leer ist noch das Nest.

Anbeginn der Worte,
Zeichen, froh und still,
Urkristall der Orte:
Buschlabee, Tripstrill.

Ehemals und Immer
hörnen durchs Revier,
Eingedenk und Nimmer -
Haimonskinder vier.

Geisterhafter Wonnen
unzerstücktes Spiel,
jede kaum begonnen,
alle schon am Ziel.

Ein rätselhaftes Gedicht, das mich sonderbar anspricht. Buschlabee, Tripstrill? Sagenhafte Orte aus Märchen und Mysterien. Die Lemuren, sind sie des Reimes wegen eingefügt? Sie passen doch gar nicht in heimische Nester und auch nicht in die mystische Semantik dieses Gedichtes, wie mir scheint.

Für mich verbindet dieses Gedicht die menschliche Wahrnehmung mit einer rätselhaften, kaum fassbaren Bedeutung. Es beschreibt für mich, wie schwer es ist, den Wesensgrund der wahrnehmbaren Zeichen, der materiellen Dinge mit dem menschlichen Geist zu fassen.

Und zugleich ist es ein schönes Februar-Gedicht - dieses "alles ist noch klar" - und dieses besondere, weiß gleißende Licht im Februar, das nicht durch das Grün dicker Blätterkronen eingefärbt ist, das nehme ich auch stark wahr und freue mich an der Kraft, die die Sonne schon hat.

Rollmops-Jieper


Wie die Klischee-Schwangere habe ich zur Zeit doch tatsächlich unbändige Lust auf Rollmops und überhaupt jeglichen rohen Fisch, auch Sushi. Hätte gestern den kurz zuvor gekauften Hering fast in der U-Bahn geöffnet und mit den Fingern gegessen, konnte mich aber gerade noch beherrschen. Zu Hause gab's kein Halten mehr, ich hab die ganze Packung auf einmal leer gemacht. Ich bin sicher, da ist etwas drin, was mein Körper zur Zeit braucht, wahrscheinlich das Fischöl, das auch Lebertran so wertvoll macht. Dabei handelt es sich meines Wissens nach um bestimmte Omega-3-Fettsäuren.

Komischerweise wollte die Apothekerin mir vorgestern aber keine Lebertrankapseln verkaufen, sie meinte, das sei erst ab der 12. Schwangerschaftswoche angebracht. Sei's drum, ich meine ohnehin: der echte rohe Fisch ist etwas ganz Anderes, Natürliches, das wird, wenn ich so enen Appetit darauf habe, sicher das Richtige sein. Ich bin sowieso mit Dr. Max-Otto Bruker davon überzeugt, im Verbund mit dem ganzen Fisch hat das Fischöl eine viel bessere Qualität und Wirkweise als isoliert als Kapsel.

Dienstag, 28. Februar 2012

Schneeglöckchen in der Großstadt



Als selbstverschriebene Entspannungsübung nahm ich vorhin ein Bad und las in einer sehr geliebten Anthologie von Wintergedichten und -prosa. Dort fand ich einen schönen Text, nämlich "Februarglück des Blumenfreundes" von Hellmut von Cube (Download-Link hier, der Text findet sich auf Seite 16). Der Text erzählt, wie das erzählende Ich im Februar befürchtet, einen grellen "Unblumen"-Strauß hochgezüchteter Blumen vom Besuch mitgebracht zu bekommen, doch der Besuch bringt ein Sträußchen Schneeglöckchen mit, worüber er sich sehr freut. Die Geschichte  erinnerte mich an den gestrigen Spaziergang mit meiner Tochter, auf dem wir in einem Hinterhof-Areal bei uns um die Ecke überraschend Schneeglöckchen entdeckten. Wir wohnen mitten in Berlin und haben leider keinen Garten, so dass mich beim Anblick der zarten Schneeglöckchen Wehmut nach dem unverfälschten Naturgefühl beschlich, das mir in meiner Kindheit und Jugend zu erleben vergönnt war.

Das kleine Erlebnis berührte eine meiner großen Fragen: wie kann man sich mitten in der Großstadt eine Verbindung zur Natur und zum Wandel der Jahreszeiten erhalten? Der Weg in den Wald ist so weit, und die Parks voller Hundehaufen und Jogger. In den Waldorfkindergärten und -einrichtungen werden hierfür Jahreszeitentische aufgebaut, und das versuchen wir zu Hause auch mit frischen Blumen und Zweigen. Doch den Spaziergang in freier Natur und Luft kann der schönste Bumenstrauß nicht ersetzen, und auch nicht der Blick in Bäume, den wir glücklicherweise aus unserer Wohnung haben. Der anthropsophische Arzt Wilhelm zur Linden empfielt schwangeren Frauen, jeden Tag eine Stunde unter freiem Himmel spazieren zu gehen, und zwar nicht zweckgebunden, das heißt, nicht etwa auf dem Weg zu Einkaufen o.ä., sondern allein zum Zweck des Spazierengehens. Denn so können wir Verbindung mit den kosmischen Kräften aufnehmen, die das Ungeborene in uns tragen und verwahren. Ich bin etwas unglücklich, dass mir dieser tägliche Spaziergang nicht möglich ist (auch wenn ich nicht sicher bin, ob ich an die "kosmischen Kräfte" glaube :-) - wie schön wäre es, Wald und Feld direkt vor der Haustür zu haben!
Zumindest versuche ich, einmal täglich langsam vor dem offenen Fenster ein- und auszuatmen - auch ein Tipp von zur Linden. Denn egal, ob man an den metaphysischen Überbau glaubt, ich glaube zumindest, dass das, was zur Linden rät, gut tut, aus welchem Grund auch immer.

Den Text von Hellmut von Cube kann man hier als PDF herunterladen; er findet sich in dem PDF auf den Seiten 16 und 17 (allerdings in einem recht abscheulichen Layout, das nicht zm Text passt, wie ich finde).

Schmetterling, flieg!


Als ich heute Morgen aus dem Haus der Tagesmutter meiner dreijährigen Tochter kam, saß mitten auf dem graunassen Asphalt der Straße ein bunter Schmetterling, der sachte seine Flügel auf- und zuklappte. Achtlos liefen die Menschen an ihm vorbei. "Was machst Du denn hier, kleiner Schmetterling?" fragte ich ihn. "Ist das nicht zu früh im Jahr für Dich? Bist Du etwa gerade geschlüpft?" Eine kleine Weile sah ich im zu, wie er seine Flügel bewegte, und überlegte, ob ich ihn vor den dicken Schuhen der Passanten retten könne. Doch man weiß ja, dass Schmetterlinge sich verletzen, wenn man ihre Flügel berührt. Also ließ ich ihn, wo er war, und sandte nur einen Wunsch gen Himmel, dem kleinen Frühstarter solle es wohlergehen.

Beim Weggehen traten mir Tränen in die Augen, denn mir fiel ein, dass auch in mir zur Zeit wieder neues Leben wächst. Das zarte Flügelschlagen des Schmetterlings war mir plötzlich wie ein Sinnbild für den winzigen Herzschlag des ungeborenen Menschleins in mir. Ich danke dafür, dass auch auf dem Asphalt - und in einem chronisch kranken und ständig gehetzten Körper wie dem meinen - der Flügelschlag des Lebens wachsen kann.

PS: Das Foto ist aus dem Netz - leiderleider hatte ich ausgerechnet heute mein Telefon nicht dabei, sonst hätte ich den Schmetterling natürlich fotografiert. Es war genau so einer wie auf dem Bild, ein Tagpfauenauge.