Dienstag, 28. Februar 2012

Schneeglöckchen in der Großstadt



Als selbstverschriebene Entspannungsübung nahm ich vorhin ein Bad und las in einer sehr geliebten Anthologie von Wintergedichten und -prosa. Dort fand ich einen schönen Text, nämlich "Februarglück des Blumenfreundes" von Hellmut von Cube (Download-Link hier, der Text findet sich auf Seite 16). Der Text erzählt, wie das erzählende Ich im Februar befürchtet, einen grellen "Unblumen"-Strauß hochgezüchteter Blumen vom Besuch mitgebracht zu bekommen, doch der Besuch bringt ein Sträußchen Schneeglöckchen mit, worüber er sich sehr freut. Die Geschichte  erinnerte mich an den gestrigen Spaziergang mit meiner Tochter, auf dem wir in einem Hinterhof-Areal bei uns um die Ecke überraschend Schneeglöckchen entdeckten. Wir wohnen mitten in Berlin und haben leider keinen Garten, so dass mich beim Anblick der zarten Schneeglöckchen Wehmut nach dem unverfälschten Naturgefühl beschlich, das mir in meiner Kindheit und Jugend zu erleben vergönnt war.

Das kleine Erlebnis berührte eine meiner großen Fragen: wie kann man sich mitten in der Großstadt eine Verbindung zur Natur und zum Wandel der Jahreszeiten erhalten? Der Weg in den Wald ist so weit, und die Parks voller Hundehaufen und Jogger. In den Waldorfkindergärten und -einrichtungen werden hierfür Jahreszeitentische aufgebaut, und das versuchen wir zu Hause auch mit frischen Blumen und Zweigen. Doch den Spaziergang in freier Natur und Luft kann der schönste Bumenstrauß nicht ersetzen, und auch nicht der Blick in Bäume, den wir glücklicherweise aus unserer Wohnung haben. Der anthropsophische Arzt Wilhelm zur Linden empfielt schwangeren Frauen, jeden Tag eine Stunde unter freiem Himmel spazieren zu gehen, und zwar nicht zweckgebunden, das heißt, nicht etwa auf dem Weg zu Einkaufen o.ä., sondern allein zum Zweck des Spazierengehens. Denn so können wir Verbindung mit den kosmischen Kräften aufnehmen, die das Ungeborene in uns tragen und verwahren. Ich bin etwas unglücklich, dass mir dieser tägliche Spaziergang nicht möglich ist (auch wenn ich nicht sicher bin, ob ich an die "kosmischen Kräfte" glaube :-) - wie schön wäre es, Wald und Feld direkt vor der Haustür zu haben!
Zumindest versuche ich, einmal täglich langsam vor dem offenen Fenster ein- und auszuatmen - auch ein Tipp von zur Linden. Denn egal, ob man an den metaphysischen Überbau glaubt, ich glaube zumindest, dass das, was zur Linden rät, gut tut, aus welchem Grund auch immer.

Den Text von Hellmut von Cube kann man hier als PDF herunterladen; er findet sich in dem PDF auf den Seiten 16 und 17 (allerdings in einem recht abscheulichen Layout, das nicht zm Text passt, wie ich finde).

Schmetterling, flieg!


Als ich heute Morgen aus dem Haus der Tagesmutter meiner dreijährigen Tochter kam, saß mitten auf dem graunassen Asphalt der Straße ein bunter Schmetterling, der sachte seine Flügel auf- und zuklappte. Achtlos liefen die Menschen an ihm vorbei. "Was machst Du denn hier, kleiner Schmetterling?" fragte ich ihn. "Ist das nicht zu früh im Jahr für Dich? Bist Du etwa gerade geschlüpft?" Eine kleine Weile sah ich im zu, wie er seine Flügel bewegte, und überlegte, ob ich ihn vor den dicken Schuhen der Passanten retten könne. Doch man weiß ja, dass Schmetterlinge sich verletzen, wenn man ihre Flügel berührt. Also ließ ich ihn, wo er war, und sandte nur einen Wunsch gen Himmel, dem kleinen Frühstarter solle es wohlergehen.

Beim Weggehen traten mir Tränen in die Augen, denn mir fiel ein, dass auch in mir zur Zeit wieder neues Leben wächst. Das zarte Flügelschlagen des Schmetterlings war mir plötzlich wie ein Sinnbild für den winzigen Herzschlag des ungeborenen Menschleins in mir. Ich danke dafür, dass auch auf dem Asphalt - und in einem chronisch kranken und ständig gehetzten Körper wie dem meinen - der Flügelschlag des Lebens wachsen kann.

PS: Das Foto ist aus dem Netz - leiderleider hatte ich ausgerechnet heute mein Telefon nicht dabei, sonst hätte ich den Schmetterling natürlich fotografiert. Es war genau so einer wie auf dem Bild, ein Tagpfauenauge.